Alkoholgesetz
Das neue Alkoholgesetz im Fokus
Nachdem das aus dem Jahre 1932 stammende und immer wieder angepasste Alkoholgesetz der Schweiz langsam doch in die Jahre kam, entschied man sich 2009 dazu, dieses Gesetz komplett zu revidieren. Die Vernehmlassung dazu fand letztes Jahr bis Ende Oktober statt und es gingen ca. 180 Kommentare bestehend aus rund 1700 Textseiten bei der zuständigen eidgenössischen Alkoholverwaltung ein. Mittlerweile ist die Vernehmlassungsphase beendet und man ist dabei, die Kommentare auszuwerten.
Doch was wurde überhaupt geändert und Wen betreffen diese Änderungen?
Bin ich als Konsument betroffen oder betrifft es nur Dienstleister?
Diese Fragen versuche ich im Weiteren zu klären.
Wie so oft sind alle Parteien mit dem einen oder anderen Punkt unzufrieden. Den Präventions- und Suchtstellen geht der Vorschlag zu wenig weit und ist viel zu wirtschaftsfreundlich, dem Gastronomieverband wiederum geht das Gesetz zu weit und ist zu schwammig formuliert.
Grundsätzlich dreht sich bei der Revision fast alles um gesundheitspolitische Aspekte. Insbesondere die steigende Anzahl trinkender Jugendlicher ist ein Thema. Hinzukommt erstmalig eine gesetzliche Verankerung von Testkäufen mit Jugendliche, welche bisher rechtlich auf ziemlich wackeligen Beinen stand.
Schluss mit Happy-Hours?
Sogenannte Lockvogelangebote oder Happy-Hours sind gemäss heutigem Recht bereits für hochprozentige Alkoholika verboten. Wer also 3 Wodkas zum Preis von 2 anbietet, macht sich strafbar. Die Totalrevision sieht nun vor, dieses Verbot am Freitag und am Samstag jeweils von 21:00 – 09:00 auch auf leichte, alkoholische Produkte wie Wein oder Bier auszuweiten. Faktisch ist das schon sehr nahe an einem Verbot und es stellt sich die Frage, warum diese doch eher umständliche Regelung?
Hier hätte man durchaus den Mut aufbringen können, ein Verbot auszusprechen, denn welchen anderen Zweck als denjenigen der Intoxikation verfolgen Happy-Hours?
Stattdessen hat man sich für eine flankierende Massnahme entschieden, die ebenfalls einiges an Diskussionsstoff birgt. Und zwar ist der Einzelhandel verpflichtet, alle alkoholischen Produkte zu kostendeckenden Preisen anzubieten. Die grundsätzliche Idee mag gut sein, doch bereits haben GastroSuisse und bürgerliche Parteien dagegen opponiert. Hauptkritik dabei ist die Schwierigkeit beziehungsweise Unklarheit der Berechnung. Hierbei sollte aber beachtet werden, dass der Bundesrat noch festzulegen hat, wie die Preise berechnet werden müssen.
Von dieser Regelung ausgeschlossen sind Degustationen in einem Verkaufslokal. Viele Fachgeschäfte bieten Proben ihrer angebotenen Produkte an. Diese durften bisher nicht gratis abgegeben werden. So zumindest die Theorie.
Neu dürfen solche Proben gratis abgegeben werden. Allerdings, aber dies sollte eigentlich klar sein, nicht einfach als Gratismuster, welches man auf der Strasse verteilt wie eine Zahnpasta- oder Fruchtsaftprobe. Das Gesetz nennt dies
„die unentgeltliche Abgabe alkoholischer Getränke an einen unbestimmten Personenkreis“.
Auch verboten ist die Weitergabe von Alkohol an Minderjährige, ob diese Regelung auch Erziehungsberechtigte beinhaltet, ist mir noch nicht klar. Das Gesetz sagt hier, dass Weitergaben betroffen sind, deren Zweck die Umgehung der Altersbeschränkungen ist.
Als juristischer Laie stellt sich mir die Frage, ob Erziehungsberechtigte in Zukunft belangt werden können, wenn sie ihrem Sprössling ein Schluck/Glas Wein zum probieren geben.
Falls dem so wäre, was ich allerdings bezweifle, wäre dies ein nicht tolerierbarer Einschnitt in die Privatsphäre.
Neu hinzukommt auch der sogenannte „Sirupartikel“, von dem viele Leute denken, dass dieser bereits heute Gesetz ist. Der „Sirupartikel“ besagt, dass ein Betrieb immer mindestens drei Nichtalkoholische Getränke anbieten muss, welche billiger sind als das günstigste alkoholische Getränk.
Werbung Jein
Betroffen vom neuen Gesetz ist auch die Werbung. So darf zwar für Spirituosen geworben werden, allerdings muss dies streng Produkte bezogen sein. Das heisst, halbnackte Bikinischöhnheiten, die auf einer tropischen Insel einen Rum schlürfen, sind ein NoGo. Weiteres darf durch die Werbung auch kein Lebensgefühl à la Coolness, Erfolg o.ä. vermittelt werden. Um das Ganze zu komplettieren, darf weder im Fernsehen noch im Radio oder öffentlichen Verkehrsmittel Werbung gemacht werden. Auch die Plakatwerbung wird dadurch eingeschränkt, dass sie natürlich nicht an öffentlichen Gebäuden oder Gebäuden die primär von Minderjährigen frequentiert werden angebracht werden dürfen. So bleibt am Schluss eigentlich nur noch ein Bild einer Flasche und oder einem Glas. Etwas freier ist die Werbung für Wein und Bier, diese dürfen beispielsweise im Fernsehen oder im Radio beworben werden.
Verdeckte Ermittlungen?
Eine wichtige Neuerung besteht in der gesetzlichen Verankerung von Testkäufen von Jugendlichen. Diese Testkäufe werden zwar bereits heute durchgeführt, die gesetzliche Grundlage fehlt aber. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hatte im Jahre 2009 festgestellt, dass es sich bei solchen Testkäufen eigentlich um verdeckte Ermittlungen handelt. Für solche verdeckten Ermittlungen herrschen grundsätzlich hohe Schranken. So muss für eine verdeckte Ermittlung ein sogenannter Anfangsverdacht bestehen, sowie eine richterliche Verfügung vorliegen. Dies hiesse nun, dass jeder Shop oder jeder Wirt, der durch Testkäufe überprüft wird unter Verdacht gestellt wird. Kritiker befürchten nun, dass diese eigentliche Aufweichung der verdeckten Ermittlung auch auf andere Bereiche der Gesetze übergreift und so Grundrechte der Bürger ausgehebelt werden.
Auf der anderen Seite zeigen Statistiken des Bundes, dass, seit diese Testkäufe stattfinden, die Rate der illegalen Abgabe von Alkohol kontinuierlich abnimmt. Ob zwischen den Testkäufen und dieser Entwicklung auch ein kausaler Zusammenhang besteht, wäre zu überprüfen. Die EAV geht davon aus, was grundsätzlich eine erfreuliche Sache wäre.
Im Kreuzfeuer
Die Suchtverbände kritisieren ausserdem, dass die Revision weiterhin an den geltenden Altersgrenzen 16/18 festhält und Diese nicht generell auf 18 Jahre anhebt, wie es z.b. einige Detailhandelsketten bereits freiwillig praktizieren. Das EAV argumentiert, dass es besser sei, Jugendliche behutsam an den Alkohol heranzuführen (über Bier und Wein), als ihnen auf einen Schlag mit 18, die gesamte Welt des Alkohols zu eröffnen. Viele kritisieren weiterhin, dass auf Lenkungsabgaben oder Mindestpreise wie sie anfänglich vom Bundesrat angedacht wurden, verzichtet wird. Ebenfalls fordern viele dieser Vereine verbindliche örtliche und zeitliche Verkaufsverbote, was einen sehr schweren Eingriff in die Marktwirtschaft bedeuten würde. Auf der anderen Seite sehen Branchenverbände bereits mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf einen einschneidenden Eingriff in die Wirtschaft. Insbesondere das Verbot von Vergünstigungen (Happy-Hours etc.) wird kritisiert, aber auch die kostendeckenden Preise stehen aufgrund ihrer unklaren Formulierung unter Beschuss.
Kurz: den einen geht der Entwurf zu weit, den anderen zu wenig weit. Einige der Punkte wie Testkäufe müssen unbedingt genau beleuchtet und abgeklärt werden, da sie unter Umständen mit anderen Gesetzen kollidieren, andere wiederum sind arg schwammig und kompliziert.
Grundsätzlich denke ich, dass hiermit aber eine solide Diskussionsbasis geschaffen wurde, die es nun anzupassen gilt, wobei zu hoffen ist, dass weder die fast schon prohibitionsartigen Forderungen zu sehr durchkommen, noch der nötige Präventionsgedanke zugunsten der Wirtschaft aufgeweicht wird.
Wie geht es aber weiter?
Das Parlament muss, nach nachdem die in der Vernehmlassung aufgebrachten Punkte verarbeitet wurden und der Bundesrat den Entwurf verabschiedet hat, darüber beraten. Dies geschieht im Jahr 2012. In der darauf folgenden Referndumsfrist hat jeder Bürger die Möglichkeit das Referendum zu ergreifen, was evtl. in einer Volksabstimmung endet. Zu Beginn 2013 soll das Gesetz dann in Kraft treten (so zumindest der Plan)
Die Totalrevision beinhaltet noch einige weitere Punkte (insbesondere auch zum Strafmass), sowie genauere Verbotskataloge etc. Das PDF zur Revision kann bei der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) bezogen werden.
